Popliteraten sind eine (ab)sonderliche Gattung. Sie tragen Massanzüge, schlendern in abgelatschtenSneakersund schreiben dutzendseitenlang über die Vorzüge eines KenzoHemds. Kaum jemand hat die Leserschaft und das Feuilleton in den letzten Jahren so gespalten. Man liebte oder man hasste sie. Jetzt gibt es einen weiteren Grund, sie zu lieben oder zu hassen: Mit der Literaturzeitschrift «Der Freund» erhalten die «Haute Volée»-Flegel ihre eigene Spielwiese.
Herausgegeben wird die Zeitschrift von Christian Kracht beim Springer-Verlag. Der Schweizer Autor («Faserland») arbeitete einige Jahre bei der Zeitschrift «Tempo» und war Asien-Korrespondent des «Spiegels». Sein Vater war lange Jahre Generalbevollmächtigter des Springer-Verlags. Das hilft, so wird gemunkelt – zumal die Zeitschrift gänzlich ohne Anzeigen auskommt.
Das Blatt entsteht nicht etwa in den Räumen des Springer-Verlags oder in einer Altbauwohnung des Neuen Berlin, sondern in einem Hotel in Katmandu. Es ist limitiert auf acht Ausgaben innerhalb von zwei Jahren und versammelt, nomen est omen, alte Bekannte aus «Tristesse Royale»-Zeiten: Albert Ostermaier, Lorenz Schröter, Eckhart Nickel und Benjamin von Stuckrad-Barre. Neben der Autorenschaft zeugt auch das Design des Hefts von Selbstbewusstsein. Man hat die Gestaltung auf Lexikonniveau reduziert und folgt damit der stilistischen Ausrichtung renommierter Zeitschriften wie «New Yorker» oder «Foreign Policy».
Das Konzept des Blatts ist so ambitiös wie seine Macher. «Der Freund» konzentriert sich einzig und allein auf das geschriebene Wort, auf Fotos wird verzichtet. Als erfreuliche Zumutung enthält jede Ausgabe ein ausführliches Gespräch mit einer Persönlichkeit, so ellenlang, wie es bisher in keiner Zeitschrift zu finden war.
In der ersten Nummer betreibt Benjamin von Stuckrad-Barre Kollegenschelte und verteidigt seinen Schweiz-Aufenthalt; der russische Konzeptualist Wladimir Sorokin präsentiert hausgemachte Rezepte («Salat aus Neujahrsfotografien», «Hausstaub-Tartelettes»); Lorenz Schröter brütet über der «Hohlwelt»; Rem Koolhaas sinniert über «Junk Space»; «SZ»-Autor Moritz von Uslar begibt sich auf Schweizreise und unterhält sich mit einer Kuh («Liebe Kuh, du bist ein dummes, wunderhübsches Tier. Sag mal, wird man verrückt hier droben?»).
«Der Freund» ist eine dandyhafte Nabelschau auf 134 Seiten mit Artikeln, die die Welt nicht braucht (etwa die haarsträubend übersetzten Memoiren der Maharani von Jaipur oder ein Essay über «Raffinierte Wischtechniken bei Eddy Grant»). Das ist durchaus reizvoll und eigentlich ganz wunderbar. Findet sich auf «Google» jedoch gratis.
Der Freund, 16 Franken, 134 Seiten, am Kiosk. Abos unter: www.derfreund.com.
Der Mensch braucht einen Freund – der Popliterat braucht einen dicken Freund. Cover der ersten Ausgabe von «Der Freund», mit Anschrift in Katmandu, Nepal.